Die Orgellandschaft Westfalen und Ostwestfalen-Lippe
Wie auch in anderen Gegenden Deutschlands entwickelte sich auch in Westfalen seit dem Mittelalter eine reiche Orgelbautätigkeit. Die ältesten Nachrichten gehen auf Münster 1181, Soest 1287 und Paderborn 1348 zurück. Bei der Entwicklung des Orgelbaus in Westfalen ist insbesondere die Beziehung zu den Niederlanden interessant, denn sowohl niederländische Orgelbauer treten in Westfalen auf als auch umgekehrt. Ebenfalls sind französische wie auch mitteldeutsche Einflüsse vorhanden.
Daraus bildete sich seit dem 17.Jahrhundert der westfälische Stil, der nicht nur dort, sondern ganz allgemein mit einer Vielzahl von Namen verbunden ist. Eine führende Rolle spielte von 1600 bis 1700 die Familie Bader. Sie prägen das Klangbild bis nach Möller: Terzhaltige Mixtur, die (typische) Sesquialtera 3f, Dunkelfärbung des Hw, 2' und 1' Register im Pedal. Von ihren Arbeiten ist nur wenig erhalten: Burgsteinfurt 1658, Zutphen (NL) 1643 und Teile in Borgentreich. Auch sie bauten Springladen, die bis zum 18.Jahrhundert von vielen Orgelbauern hier (z.B.Möller) noch verwendet wurden. Deren Entwicklung geht auf den aus Münster stammenden und im niederländischen s'Hertogenbosch tätigen Orgelbauer Hendrik Niehoff zurück, der sie in dem von ihm geschaffenen Typ der "Brabanter Orgel" einsetzte. Die gleiche Bauweise der Laden findet sich im Essener Münster 1540, von Johann Brauckmann, Münster. Brauckmann arbeitete ebenso in den Niederlanden.
Auch im Prospekt zeigte sich ein westfälischer Stil: Die doppelten Spitztürme
Weitere wichtige Namen im westfälischen Orgelbau des 17. und 18.Jahrhunderts sind:
- Familie Klausing aus Herford, zwischen 1677 und 1755 (Höxter, Kiliani)
- Familie Kröger aus Minden (Lübbecke)
- Familie Reinking aus Bielefeld (Bielefeld, Jodokus)
- Andreas Schneider aus Höxter (Corvey)
- Familie Slegel aus Zwolle(NL)/Osnabrück (Lemgo, Marien
- Johann Patroclus Möller aus Lippstadt (Marienmünster, Abtei)
- Die Linie Kohlen - Heeren - Kuhlmann - Euler in Gottsbüren (Niedersachsen), nahe Beverungen/Höxter
Letztere Werkstatt existiert bis heute. Zuerst bis 2000 noch in Hofgeismar und seitdem im benachbarten Trendelburg-Deisel. Sie gilt als die älteste Orgelbauwerkstatt Deutschlands.
Statten Sie hier ein Besuch ab.
Über Kröger und Huß gibt es eine Verbindung zu Arp Schnitger.
Der älteste bis heute existierende Name einer Werkstatt in OWL ist Speith in Rietberg (seit 1848).
Mit Johann Patroclus Möller erreichte der westfälische Orgelbau einen Höhepunkt. Er baute in der klanglichen Tradition Baders überwiegend sehr üppig disponierte Werke mit einem Prinzipal 16 im Hauptwerk.
Eine Liste mit westfälischen und in Westfalen tätige Orgelbauer siehe hier.
In den Kirchenverwaltungen herrschte manchmal nicht immer nur einhellige Zustimmung zur Orgel. Durch calvinistische Einflüsse bei der reformierten Kirche kam es besonders im südlichen Westfalen im 16.Jahrhundert zur Ablehnung der Orgel, weil man der Meinung war, daß Orgelmusik nicht zum Gotteslob gehört, sondern den Gläubigen mehr der Unterhaltung dient.
Allerdings war diese Einstellung nicht ungeteilt. Im ebenfalls reformierten Land Lippe ließ sich 1600 Graf Simon eine Orgel auf seinem Schloß in Brake bauen und so traten auch andere kunstliebende Grafengeschlechter Mitte des 17.Jahrhunderts für die Etablierung der Orgel ein. Generell läßt sich ab diesem Jahrhundert die Überwindung dieser Hemmnisse feststellen.
Die Zahl der erhaltenen historischen Orgeln und alter Gehäuse oder Prospekte ist bemerkenswert.
Ein Blick auf die Orgelkarte bestätigt das eindrucksvoll !Zum Einstieg hier einige Instrumente vorab:
Sehr bekannt sind die erhaltenen Orgeln von dem bedeutenden Meister aus Lippstadt, Johann Patroclus Möller, und zwar in:
Marienmünster (1738)
Büren (1744)
Marienfeld (1751)
Hoinkhausen (1747) (außerhalb OWL)
In Borgentreich haben wir die größte erhaltene Barockorgel Westfalens und auch eine der größten Springladenorgeln der Welt.
Sie wurde bis 2011 restauriert.
Die Spätrenaissance-Orgel der Marienkirche in Lemgo gehört zu den ältesten Instrumenten in OWL.
Ihr gehäuse geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Der Prospektprinzipal stammt aus der Werkstatt Scherer von 1612.
Im Hauptwerk und Pedal hat sie doppelte Springladen.
Sehr wertvoll ist auch die gut erhaltene Andreas-Schneider-Orgel in der Klosterkirche Corvey.
Wie schon erwähnt sind auch eine große Anzahl alter Prospekte und Gehäuse erhalten, wie beispielsweise in Schötmar, oder Neuenheerse.
An dieser Stelle sei auch das Orgelmuseum in Borgentreich empfohlen. Hier kann der Besucher erfahren, wie eine Orgel gebaut wird, die Teile und die Funktion der Orgel sowie Register kennenlernen und auch ausprobieren, Orgelgeschichte nachlesen, speziell auch über Ostwestfalen.Bei den historischen Orgeln ist besonders die große Zahl derer aus dem 19. und beginnenden 20.Jahrhunderts auffällig. Einige sind original oder sehr gut erhalten. Viele besitzen noch die originalen Kegelladen. Stellvertretend seien genannt:
Lahde bei Petershagen, Hartum bei Hille, Detmold kath.-apost.Kapelle, Lichtenau ev.Kirche, Büren-WeineBei den Neubauten finden wir die bekanntesten Namen aus Deutschland, wie z.B. Paul Ott, Rudolf von Beckerath, Johannes Klais und Alfred Führer.
Aber auch diese Werkstätten sind vertreten: Marcussen, Flentrop, West, Collon und andere.